Was ist eine D&O-Versicherung?
Eine D&O-Versicherung (Directors&Officers-Versicherung) ist eine Managerhaftpflichtversicherung. Sie schützt einerseits das Unternehmen und andererseits die Organe wie Geschäftsführer*innen, Vorstände und Kontrollorgane vor Vermögensschäden aus ihrer Tätigkeit im Unternehmen. Es gibt zwei wesentliche Arten von D&O-Versicherungen: Die Unternehmens-D&O und die persönliche D&O-Versicherung. Erste schützt das Unternehmen vor Schäden aus Fehlern ihrer Organe. Die persönliche D&O-Versicherung schützt die jeweilige Person vor einem Durchgriff auf das private Vermögen. Beide Varianten ergänzen sich.
Was und wie leistet die D&O-Versicherung?
Eine D&O-Versicherung leistet das gleiche wie jede andere Haftpflichtversicherung:
- Sie prüft erstens, ob ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch berechtigt ist.
- Sie wehrt zweitens einen unberechtigten Anspruch ab.
- Und sie ersetzt drittens den Schaden eines berechtigten Anspruchs.
Die Prüfung und Abwehr eines Anspruchs nennt man auch passiven Rechtsschutz. Das macht die Mehrzahl aller Leistungsfälle aus (ca. 70%). Ist ein Anspruch jedoch berechtigt, ersetzt die Versicherung den Schaden und schützt den oder die Versicherten somit davor, ihn aus eigener Tasche bezahlen zu müssen.
Warum und wer sollte eine D&O-Versicherung abschließen?
Manager*innen in Organfunktion (als Geschäftsführer*in, Vorstand, Aufsichtsrat usw.) haften deutlich anders als „normale“ Angestellte. Diese sog. Organhaftung ist in zahlreichen Gesetzen geregelt. Sie haften für Fehler, die sie in ihrer Funktion als Organ machen: unbegrenzt, gesamtschuldnerisch, dem Unternehmen (Innenhaftung) und Dritten gegenüber (Außenhaftung) bereits für leichteste Fahrlässigkeit.
Unbegrenzte Haftung
Unbegrenzt heißt, sie müssen einen Schaden, den sie dem Unternehmen oder einem Dritten zugefügt haben, mit ihrem gesamten jetzigen und zukünftigen privaten Vermögen ersetzen. Sie haften quasi wie jeder Selbstständige bzw. Unternehmer*in. „Normale“ Angestellte haften gegenüber Dritten (Außenhaftung) gar nicht. Gegenüber dem Unternehmen haften sie – je nach Schwere des Verschuldens – lediglich in Höhe eines dreifachen Monatsgehalts. Leitende Angestellte (wie z.B. Prokuristen) haften je nachdem zwischen drei und sechs Monatsgehältern. Für Manager*innen ist das Risiko also existenziell.
Eine Beschränkung der Haftung ist nicht möglich. Viele glauben: Ich habe eine GmbH – also eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung – da bin ich safe. Doch das stimmt nicht. Die Haftungsbeschränkung gilt nur für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, nicht der Organe oder Geschäftsführer*innen!
Gesamtschuldnerische Haftung
Gesamtschuldnerisch bedeutet, dass alle Vertreter*innen eines Organs jeweils komplett auch für die Fehler der anderen haften. Besteht der Vorstand also aus einem*einer technischen und einem kaufmännischen Leiter*in, haften beide jeweils für die Fehler des*der anderen.
Haftung für leichteste Fahrlässigkeit
Manager*innen haften bereits für leichteste Fahrlässigkeit. Der Maßstab ist eine ordentliche und gewissenhafte Geschäfts- oder Aufsichtsführung. Sie werden also wieder einem*einer Kaufmann*Kauffrau gleichgestellt. Voraussetzung ist jedoch eine Pflichtverletzung. Sie haften einzig nicht für Schäden, die aus dem allgemeinen wirtschaftlichen Risiko hervorgehen. Denn hier liegt keine Pflichtverletzung vor. Die Abgrenzung (Business Judgment Rule) ist jedoch schwer und beschäftigt die Gerichte zum großen Teil. Eine gewisse Orientierung geben die sog. 10 Gebote der Geschäftsführenden nach Prof. Marcus Lutter:
- Einhaltung der Gesetze
- Einhaltung von Satzung und Geschäftsordnung
- Einhaltung der Bestimmungen des Anstellungsvertrages
- Einhaltung von Weisungen der Gesellschafter (soweit legitim!)
- Ordnungsgemäße Organisation der Gesellschaft
- Kontrolle der Organisation
- Regelmäßige Kontrolle von Liquidität und Finanzlage
- Laufende Risikobeobachtung und Vermeidung übergroßer Risiken
- Vermeidung aller Konflikte zwischen Gesellschaftsinteressen und GF-Interessen
- Sorgfältige Vorbereitung geschäftlicher und unternehmerischer Entscheidungen
Bei den ersten 4 Punkten gibt es keinen Ermessensspielraum. Eine Fehlentscheidung ist hier immer eine Pflichtverletzung und begründet eine Haftung. Übrigens: Geschäftsführende müssen ca. 84.000 Rechtsvorschriften kennen und beachten. Bei den Punkten 5-10 gibt es einen Ermessensspielraum. Fehlentscheidungen führen nicht automatisch zur Pflichtverletzung und Haftung.
Haftung im Innen- und Außenverhältnis
Manager*innen haften im Innenverhältnis, also dem Unternehmen gegenüber. Solche Haftungsfälle machen ca. 80% aller Fälle aus.
Beispiele dafür sind:
- Falsche Angebotskalkulation
- Versäumte Fristen
- Akquirierung von Aufträgen, die das Unternehmen gar nicht stemmen kann
- Schäden, die mit einer Versicherung hätten gedeckt werden können
- Einstellung von nicht ausreichend qualifiziertem Personal
- Usw.
Außenhaftung bedeutet, dass das Unternehmen oder die Organe gegenüber Dritten, die nicht zum Unternehmen gehören, einen Schaden ersetzen muss. Dritte können Lieferant*innen, Aktionäre, Wettbewerber*innen oder Gesellschafter*innen sein.
Solche Fälle machen ca. 20% aus. Beispiele sind: Schäden aus Tun oder Unterlassen, z.B. Körperverletzung oder falsche Angaben bei Erhöhung des Grundkapitals Steuerschulden Konkursverschleppung Fehlerhafte Angaben beim Börsengang
Ansprüche müssen geltend gemacht werden
Das Unternehmen respektive die Aufsichtsorgane müssen gegen ihre Vorstände Ansprüche auf Schadensersatz geltend machen, sobald sie bekannt sind oder der Verdacht entsteht. Tun sie das nicht, machen sie sich selbst schadensersatzpflichtig. Durchsetzen können das die Eigentümer*innen, also Gesellschafter*innen und Aktionäre. Ein spezieller Fall, wo es dann auch schnell sehr unangenehm wird, ist die Insolvenz. Der oder die Insolvenzverwalter*innen müssen alle Ansprüche gegen Organe prüfen.
Beweislastumkehr
Manager*innen müssen im Innenverhältnis (also dem Unternehmen gegenüber) beweisen, dass sie alles richtig gemacht und das Unternehmen ordnungsgemäß geführt haben. Das nennt man Beweislastumkehr: Nicht der*die Anspruchsteller*in muss die Pflichtverletzung nachweisen, sondern der*die Beschuldigte die Pflichterfüllung. Vor allem bei einem*einer suspendierten Geschäftsführer*in dürfte das einigermaßen schwierig werden.
Strafrechtliche Verfolgung
Der letzte zentrale Punkt, warum eine D&O-Versicherung wichtig ist, ist die strafrechtliche Verantwortung von Organen. Strafrechtliche Risiken können je nach Branche und Unternehmen sein:
- Wirtschaftsrisiko (z.B. Steuerstrafraten)
- Betriebsstättenrisiko (Körperverletzung, Tötung von Mitarbeiter*innen)
- Produktrisiko (Körperverletzung, Tötung von Kund*innen)
- Umweltrisiko
Strafrechtlich verfolgt werden ausschließlich natürliche Personen, keine juristischen Personen wie Unternehmen. Eine strafrechtliche Verfolgung hat ganz erhebliche Kosten, kann den gesamten Betrieb stilllegen, verursacht massive psychische Belastungen und kann in Freiheitsstrafen münden.
Übrigens:
Das sind fast alles Punkte, die für Selbstständige ebenso gelten.
Aus diesen Gründen sollten Geschäftsführer*innen (GmbH), Vorstände (AG, Genossenschaft, Verein) und Aufsichtsräte (Kontrollorgane) über eine D&O-Versicherung nachdenken.
Einerseits sollten die Unternehmen eine Unternehmens-D&O-Versicherungen prüfen und andererseits die Personen hinter den Organen über eine persönliche D&O-Versicherung nachdenken.
Welche zusätzlichen Deckungen gibt es in der D&O-Versicherung?
Neben der reinen Absicherung der Haftpflicht ergeben sich aus den o.g. Punkten zwei weitere wichtige Versicherungen für Manager*innen:
- Strafrechtsschutzversicherung
- Anstellungsrechtsschutzversicherung
Strafrechtsschutzversicherung
Die Strafrechtsschutzversicherung schützt dich vor den Kosten der strafrechtlichen Verfolgung in deiner Funktion als Manager*in. Vor der Strafe selbst schützt dich die Versicherung natürlich nicht. Sie deckt auch die Kosten in den Bereichen: Ordnungswidrigkeiten Disziplinar- und Standesverfahren verwaltungsrechtliche Angelegenheiten
Kostenübernahme
Die Versicherung übernimmt – je nach Ausgestaltung – folgende Kosten:
- Kosten der Firmenstellungnahme bei einer Anzeige gegen Unbekannt
- Kosten des*der Rechtsanwalts*Rechtsanwältin
- Gerichtskosten
- Sachverständigenkosten
- Reisekosten
- Strafkaution Kosten der Zeugenbetreuung
Die Kosten gehen hier sehr schnell in die Zehn- bis Hunderttausende. Um eine ordentliche Strafverteidigung zu finanzieren, ist eine Versicherung sinnvoll.
Die Kosten werden zunächst unabhängig davon übernommen, ob die vorgeworfenen Straftaten nur vorsätzlich (z.B. bei Betrug) oder auch fahrlässig (z.B. bei Körperverletzung) begehbar sind. Ausgeschlossen bleiben Verbrechen (Mindeststrafmaß von einem Jahr), Kartellstraftaten und Bagatelldelikte.
Überraschungsmoment
Nicht vernachlässigen solltest du neben dem Kostenaspekt, den psychologischen Aspekt. Eine Strafverfolgung soll und muss überraschend sein. Denke hier z.B. an eine unangekündigte Hausdurchsuchung, um Beweise zu sichern.
Es ist daher wichtig, dass du sofortigen und vor allem qualifizierten juristischen Beistand erhältst. Egal, ob sich die Vorwürfe später bestätigen oder widerlegt werden. Ob du in einem solchen Schockmoment sofort den richtigen Anwalt oder die richtige Anwältin parat hast, ist zweifelhaft. Eine gute Versicherung ist hier essenziell.
Anstellungsrechtsschutzversicherung
Die Anstellungsrechtsschutzversicherung ist die zweite, wichtige Ergänzung. Als Manager*in hast du keinen Arbeitsvertrag, sondern einen Anstellungs- bzw. Dienstvertrag.
Du bist Organ, keine Arbeitnehmer*in. Dadurch findest du dich bei Streitigkeiten über deinen Anstellungs- oder Dienstvertrag vor einem Zivilgericht und nicht vor einem Arbeitsgericht wieder.
Wenn du also von leitenden Angestellten zum Geschäftsführer berufen wirst, solltest du dringend deine etwaige bestehenden Rechtsschutzversicherung prüfen. Sie greift dann nicht mehr!
Du trägst das volle Kostenrisiko, auch wenn du nur teilweise unterliegst. Das heißt, du trägst dann deine eigenen Kosten, die Kosten der Gegenseite und sämtliche Gerichtsgebühren.
Deine Anstellungsrechtsschutzversicherung übernimmt:
- eigene Anwaltskosten
- Gerichtskosten
- Sachverständigenkosten
- Zeugenkosten
- Kosten der Gegenseite
Die Streitwerte und die daraus resultierenden Kosten sind wesentlich höher als bei „normalen“ Angestellten. Statt auf dem dreifachen MONATsgehalt, sind sie auf das dreifache JAHRESgehalt begrenzt.
Die daraus folgenden Anwalts- und Gerichtskosten erhöhen sich also dementsprechend. Liegt dein Jahresbruttogehalt inkl. Tantiemen also z.B. bei 120.000€, beträgt der Streitwert 360.000€. Das Kostenrisiko liegt dann schnell im hohen fünfstelligen bis niedrigen sechsstelligen Bereich.
Worauf solltest du bei einer D&O-Versicherung achten?
Risiken erkennen
Als Erstes ist es wichtig, dass du dich mit der Thematik überhaupt auseinandersetzt.
Es gilt der Dreiklang: Risiken erkennen, Risiken vermeiden bzw. reduzieren, Risiken versichern.
Die Höhe und Wahrscheinlichkeit von Schäden hängt von zahlreichen Faktoren wie der Branche, der Unternehmensstruktur, der Organisationsstruktur, Prozessqualitäten, dem Alter des Unternehmens usw. ab.
Wichtig ist, dass du dir über die möglichen Gefahren, die sich aus der Geschäftsführung ergeben, bewusst bist. Das hohe Gehalt ist ein Teil der Kompensation für diese Risiken.
Insofern solltest du es nutzen und dich vor diesen Risiken in Form einer Versicherung zu schützen.
Unternehmens- vs. persönliche D&O-Versicherung
Im besten Fall hat das Unternehmen eine Unternehmens-D&O-Versicherung und du eine persönliche D&O-Versicherung. Um dich selbst zu schützen, solltest du bei der persönlichen D&O-Versicherung auch Beitragszahler sein, auch wenn die Kosten hierfür meist im vierstelligen Bereich liegen.
Verlässt du dich auf die Unternehmens-D&O-Versicherung kann das bei einer persönlichen Verfehlung teuer enden. Ein möglicher Schadensfall kann nicht, nicht richtig oder zu spät gemeldet werden. Dadurch kann dein Schutz gefährdet sein. Das Gleiche gilt für den Fall, dass Beiträge nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig vom Unternehmen gezahlt wurden.
Versicherungssumme der D&O-Versicherung
DIE korrekte Versicherungssumme gibt es nicht. Sie hängt von vielen Faktoren wie der Eigenkapitalausstattung, Unternehmens- bzw. Konzernstruktur, Branche, Lieferantenbeziehungen, Gesellschafter*innen usw. ab.
Nach einer groben Faustformel sollten die Hälfte des Eigenkapitals bzw. 10% der Bilanzsumme abgesichert werden.
Nachhaftung in der D&O-Versicherung
Ein wichtiger Punkt ist die Nachhaftung. Das bedeutet, dass Pflichtverletzungen nach Vertragsende gemeldet, die jedoch während der Vertragslaufzeit entstanden und Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden.
Das ist relevant, weil zahlreiche Verfehlungen erst nach einer Weile aufgedeckt werden, z.B. durch einen neuen Vorstand oder eine interne Ermittlung. Ist die Nachhaftung nicht oder zu kurz gewählt, kann es sein, dass deine D&O-Versicherung nicht mehr greift. Vor allem bei AGs und Kreditgesellschaften haben wir Verjährungsfristen von bis zu zehn Jahren.
Beispiel:
- Du warst vom 01.01.2016 bis 31.12.2020 Geschäftsführer*in eines mittelständischen Maschinenbauers.
- Du hast wohlweislich eine persönliche D&O-Versicherung abgeschlossen. Der Vertrag endete mit deinem Ausscheiden am 31.12.2020.
- Deine D&O-Versicherung hatte eine Nachhaftung von 3 Jahren.
- Mit dem Vorstandswechsel zieht ein neuer Wind durch die Unternehmensflure. Der Aufsichtsrat wirft dir im März 2024 vor 2018 eine Frist versäumt zu haben, weswegen eine Subvention nicht gewährt wurde.
- Der Schaden beläuft sich auf mehrere 100.000€. Deine D&O-Versicherung wird eine Prüfung des Anspruchs ablehnen, da die Nachhaftung bereits abgelaufen ist.
Selbstbehalte und Wartezeiten in der D&O-Versicherung
Achte auf Selbstbehalte und Wartezeiten. Es gibt freiwillige und die gesetzliche Selbstbehalte. Freiwillige Selbstbehalte trägst du, nicht das Unternehmen. Gegen die gesetzlichen Selbstbehalte kannst du dich versichern. Gute Deckungskonzepte haben dies mitversichert oder bieten zumindest die Option des Einschlusses.
Die Wartezeiten spielen vor allem bei der Anstellungsrechtsschutzversicherung eine Rolle. In der Regel betragen diese zwischen drei und sechs Monate. Schäden innerhalb dieses Zeitraums sind nicht versichert.
Insolvenz, Liquidierung, Fusion/Übernahme
Besonderes Augenmerk solltest du auf die Regelung legen, wie der Versicherer mit Insolvenz, Liquidierung und Fusion bzw. Übernahmen umgeht. Grundsätzlich endet dann nämlich der Versicherungsschutz. Das ist vor allem im Fall der Insolvenz höchst problematisch. Gute Bedingungswerke gewähren weiterhin Versicherungsschutz.
Gern unterstützen wir dich bei Auswahl und Abschluss einer geeigneten D&O-Versicherung. Vereinbare dazu online ein kostenfreies Erstgespräch mit uns!