Was ist finanzielle Freiheit?
Finanzielle Freiheit ist das, was dein Einkommen dir erlaubt. Mathematisch gesprochen sind deine Einkünfte größer als deine Ausgaben. Gibst du mehr aus als du einnimmst, bist du finanziell unfrei. Entweder brauchst du einen Kredit oder bist gezwungen, deine Einkünfte zu erhöhen bzw. deine Ausgaben zu reduzieren.
Es liegt daher auf der Hand, dass Geringverdienende keine finanzielle Freiheit haben. Sie leben bestenfalls von der Hand in den Mund und müssen sich überall einschränken. Diese Einschränkung, diesen Verzicht dürfen wir nicht mit freiwilliger Reduzierung wie dem Minimalismus verwechseln. Dieser ist freiwillig und eine Lebensstilentscheidung.
Es liegt jedoch auch auf der Hand, dass du nicht finanziell frei bist, wenn deine Wünsche nicht zu deinen Möglichkeiten/Einkünften passen. Hast du nicht geerbt oder verdienst Millionen, wird es mit der privaten Sammlung zeitgenössischer Künster*innen schwierig.
So erlangst du finanzielle Freiheit
Schritt 1: Einkünfte erhöhen
Nun, der erste Schritt ist es natürlich, deine Einkünfte zu erhöhen. Sofern das möglich ist. Deswegen studieren mittlerweile 50% eines jeden Jahrgangs. Ein Studium verspricht einfach die besten Gehälter. Eine weitere Möglichkeit, deine Einkünfte zu erhöhen, sind Weiterbildungen. Sie sind – ebenso wie das Studium – eine klassische Investition: Du nimmst Geld z.B. 5.000€ (oder Zeit beim kostenfreien Studium), investierst es in eine Weiterbildung. Danach hast du eine Zusatzqualifikation und kannst mehr Gehalt verlangen oder eine bessere Position bekleiden. Dadurch erhöhst du dein aktuelles Einkommen und auch deine langfristigen Rentenansprüche.
Übrigens: Diese sog. Bildungs-Rendite lässt sich berechnen (ein ganzer Zweig der wirtschaftswissenschaften beschäftigt sich damit) und liegt bei etwa 5-8%.
Schritt 2: Ausgaben kontrollieren
Der zweite Schritt ist die Ausgabenkontrolle. Du solltest ja weniger ausgeben, als du einnimmst. Das ist oft leichter gesagt als getan. Doch wieso kamst du mit 700€ BAföG oder 1.000€ Ausbildungsgehalt über die Runden, jetzt aber mit 2.000€ Nettoeinkommen nicht mehr? Der Grund liegt in der Lifestyle-Inflation. Was das ist und wie du sie vermeidest, erfährst du in diesem Beitrag.
Die Kurzform: Deine Ansprüche und damit Konsumausgaben steigen schneller als deine Einkünfte. Die Gründe sind vor allem psychologischer Natur. Der einzige wirksame Ausweg: das Haushaltsbuch.
Schritt 3: Risiken absichern
Der dritte Schritt ist die Absicherung existenzieller Risiken. Dazu haben wir hier Dutzende Beiträge geschrieben. Die existenziellen Risiken sind: Krankheit, Arbeitskraftverlust, Privathaftpflicht und Todesfall (wenn du eine Familie hast). Tritt eines dieser Risiken ein und du bist nicht versichert, bist du nicht mehr finanziell frei.
Dafür brauchst du nur drei bzw. 4 Verträge: Krankenversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung, Privathaftpflichtversicherung und Risikolebensversicherung. Alle anderen Versicherungen sind optional, aber nicht notwendig.
Schritt 4 & 5: Liquidität sichern
Schritt vier und fünf betreffen deine Liquidität. Dafür musst du zunächst – sofern du welche hast – Schulden tilgen und anschließend einen Notgroschen aufbauen. Kredite tilgen ist klar. Für den Notgroschen reicht ein einfaches Tagesgeldkonto mit drei Monatsausgaben, mindestens aber 5.000€. Dieser Notgroschen ist dein Finanz-Airbag, falls aml etwas kaputt geht, du länger krank bist oder kurzzeitig arbeitslos werden solltest.
Damit hast du den „technischen“ Teil erfüllt. Kommen wir nun zum individuellen, persönlichen, psychologischen Teil.
Was ist finanzielle Selbstbestimmtheit?
Finanzielle Selbstbestimmung ist das, was du mit dieser Freiheit anstellst. Finanzielle Selbstbestimmtheit zu erlangen, ist aus unserer (Beratungs-)Erfahrung viel schwerer als die finanzielle Freiheit. Zur finanziellen Freiheit findest du zig Bücher, Blogs und Bewegungen (HIRE). Die allermeisten blenden aber den aus unserer Sicht elementareren Aspekt – die finanzielle Selbstbestimmtheit – einfach aus.
So nach dem Motto: Bin ich finanziell frei, wird alles gut. Das ist jedoch ein Trugschluss.
Unsere steigende finanzielle Freiheit (Einkommen) geht mit einer schleichenden Kommerzialisierung aller Lebensbereiche einher. Alles wird zum Markt. Es ist an der Zeit, das kritisch zu hinterfragen. Es reicht nicht aus, ein Lippenbekenntnis zu geben: „Ich bin finanziell befreit“ – wenn du die Freiheit nicht mit deinen eigenen Vorstellungen auflädst.
Ein paar Beispiele für die Kommerzialisierung immer weiterer Lebensbereiche gefällig?
- Liebe:
Endlos viele Portale, Apps und Websiten versprechen uns, dass sich alle 11 Minuten zwei Personen über eine der Plattformen verliebt. Dafür zahlen wir mit barer Münze, jeden Monat.
- Pflege:
Statt unsere Angehörigen und Liebsten selbst im Familienverbund zu pflegen, lagern wir das an professionelle Dienstleister*innen (häufig zu grausigen Arbeitsbedingungen) oder ins Pflegeheim aus.
- Sport:
Statt einfach rauszugehen, zu spazieren, zu joggen oder Fußball mit Freunden zu spielen, kaufen wir uns einen Hometrainer für tausende Euro plus monatlicher Gebühr. Oder aber wir bezahlen 50€ im Monat fürs Fitnessstudio.
- Kochen:
Statt einfach ein paar Zutaten zu putzen, schälen, kleinzumachen und zu kochen, kaufen wir uns einen Thermomix, weil der „alles“ kann oder bestellen die ganze Zeit bei Lieferando.
- Freizeit:
Statt einen schönen Abend mit Wein und Freunden zu verbringen, kaufen wir einen teuren Jochen Schweitzer-Gutschein.
- Fortbewegung:
Früher (also vor drei Jahren oder so) sind wir – wie seit zehntausenden Jahren – kurze Strecken zu Fuß gelaufen. Heute fahren wir auf dem E-Roller zur Bushaltestelle oder zum Treffpunkt mit unseren Freunden. Auch dafür bezahlen wir Geld (und Gesundheit durch noch weniger Bewegung und besoffen Unfälle bauen).
Die Liste ließe sich nahezu endlos verlängern. Meistens geht es um Bequemlichkeit, Status oder Zugehörigkeit. Sie versprechen tolle Momente, Anerkennung, Gesundheit oder die ewige Liebe. Am Ende kostet der ganze Krams aber vor allem eins: Geld. Und damit Zeit, deine Lebenszeit, die du in Arbeitszeit umwidmen musst. Das Zeug lagert sich wie Kalk am Wasserhahn ab und verstopft alles, allen voran deine Freiheit und Selbstbestimmtheit.
Im Umkehrschluss bedeutet es also, dich von dieser ganzen Kommerzialisierung weitestgehend frei zu machen. Dann kommt finanzielle Freiheit (Einnahmen > Ausgaben) mit der echten Freiheit, diese auch zu nutzen, zusammen.
So erlangst du finanzielle Selbstbestimmtheit
Hier kommen wir zum schwierigsten und unangenehmsten Teil.
Denn finanzielle Selbstbestimmtheit musst du selbst erlangen. Klar können dir dritte von außen helfen und die Tür öffnen. Durchgehen musst du aber selbst. Dazu musst du dich und deinen bisherigen Lebensentwurf kritisch hinterfragen und ggf. über Bord werfen. Das ist unschön und wirft am Ende die Frage auf: Was zur Hölle habe ich die letzten 10, 20 oder 30 Jahre eigentlich gemacht?
Weil darauf die wenigsten Bock haben, unterlassen sie es und doktern an der Oberfläche rum.
Du kannst in innere Klausur oder ins Kloster gehen; kannst ein Coaching oder wenn es bereits pathologisch bzw. medizinisch ist (Kaufsucht, Burn-Out, Depression usw.) eine Psychotherapie machen; du kannst dich mit Menschen austauschen, die von sich behaupten finanziell selbstbestimmt zu sein; du kannst Bücher lesen. Wir finden, der erste und wichtigste Schritt ist die Auseinandersetzung mit dir selbst.
Und dazu helfen Fragen. Stelle sie dir und beantworte sie ehrlich, am besten schriftlich. Fällt dir spontan keine Antwort ein, gehe zur nächsten Frage. Wiederhole diese Übung wieder und wieder und beobachte, ob und wie sich deine Antworten verändern. In diesem Beitrag findest du für den Anfang 77 Fragen.
Im zweiten Schritt und da sollteen wir nicht drumherum reden, geht es um Verzicht. Verzicht hat mittlerweile einen derart negativen Beigeschmack, dass es uns sinnvoll erscheint, den Begriff kurz zu beleuchten.
Egal ob es um unsere Altersvorsorge oder den Klimaschutz geht:
Wir soll(t)en verzichten.
Verzicht schmerzt erst einmal:
- Bahn statt SUV,
- Rügen statt Bali,
- iPhone 5 statt iPhone 11,
- 60qm Wohnung statt 135qm Einfamilienhaus,
- leihen statt kaufen.
Bei den Debatten diskutieren wir immer nur den Verlust, nie den Gewinn, den uns der Verzicht bringen kann.
Freiheit:
Die Freiheit, weniger arbeiten zu müssen, da man weniger ausgibt.
Freizeit:
Die Freizeit, die man sich ständig wünscht, aber nie realisiert, weil man noch dieses oder jenes fertigstellen muss.
Entspannnung:
Die Entspannung, weil weniger Dinge kaputt oder verloren gehen oder gestohlen werden.
Lasst uns doch mal aus der Perspektive diskutieren!
Wir wünschen dir viel Spaß und Erfolg beim Weg zur finanziellen Freiheit und Selbstbestimmtheit.
Weiterführende Artikel sind:
- Wie du mit Zeit statt Zeug glücklicher wirst
- 23 teure Denkfehler, die dich viel Geld kosten
- 5 Schritte gegen die Lifestyle-Inflation
- Warum es ok ist, wenn dein Geld mal nicht arbeitet
- Wieso du für deine Finanzen selbstverantwortlich bist
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