Freiwillige gesetzliche Krankenversicherung bei Existenzgründung
Warst du vor deiner Gründung gesetzlich krankenversichert, weil du zum Beispiel angestellt warst oder studiert hast, bist du mit Beginn deiner Selbstständigkeit zunächst freiwillig gesetzlich krankenversichert. Die Grundlage dafür ist § 9 des fünften Sozialgesetzbuchs. Anders als die meisten Angestellten hast du also eine Wahloption. Die erste Möglichkeit ist, dass du freiwillig gesetzlich krankenversichert bleibst. Dafür kannst du entweder deine bisherige Krankenkasse wählen oder jede andere.
Die Beitragsbemessung
Als Selbstständige*r trägst du die gesamten Kosten für deine Kranken- und Pflegeversicherung selbst. Du hast keine*n Arbeitgeber*in mehr, die die Hälfte mitbezahlt. Vereinfacht gesagt, orientiert sich dein Beitrag an deinem Einkommen. Das nennt sich Beitragsbemessungsgrundlage. Dein Einkommen ist dein Gewinn vor Steuern. Dein Gewinn sind deine betrieblichen Einnahmen abzüglich der Ausgaben.
Für die Beitragsbemessung gibt es eine Unter- und eine Obergrenze. Die Untergrenze liegt bei etwas mehr 1.000€ Gewinn im Monat. Die Obergrenze liegt bei ca. 4.500€ Gewinn pro Monat. Diese Grenze heißt auch Beitragsbemessungsgrenze.
Der Beitragssatz
Die zweite Komponente bei der freiwillig gesetzlichen Krankenversicherung bei Existenzgründung ist der Beitragssatz. Dieser besteht wiederum aus verschiedenen Bausteinen. Der erste Baustein ist bei allen Kassen gleich und beträgt 14,6%.
Der zweite Baustein ist der sog. kassenindividuelle Zusatzbeitrag. Den erheben manche Krankenkassen, denen der normale Beitragssatz nicht ausreicht.
Der dritte Baustein ist der Beitrag fürs Krankengeld. Wenn du dich selbstständig machst und freiwillig versicherst, ist das Krankengeld nicht automatisch mitversichert. Das musst du auf Antrag selbstständig machen. Was das Krankengeld bringt, erklären wir weiter unten.
Der vierte Baustein ist der Beitrag für die Pflegeversicherung. Dieser ist überall gleich. Wenn du Kinder hast beträgt er 3,05%. Wenn du älter als 23 Jahre bist und keine Kinder hast, beträgt er 3,3%. Grob zusammengerechnet kommst du also auf knapp 20%. Das heißt, ein Fünftel deines Gewinns geht für die Kranken- und Pflegeversicherung drauf.
Der Beitrag
Der Beitrag ergibt sich dann einfach aus der Beitragsbemessung (dein Gewinn vor Steuern) multipliziert mit dem Gesamtbeitragssatz. Da landest bei etwa 180€ bis 860€ pro Monat. Den genauen Betrag kannst du für jede Kasse auf deren Homepage berechnen.
Die Beitragserhebung
Der Beitrag wird immer auf der Grundlage deines Einkommenssteuerbescheids ermittelt und endgültig erhoben. Wenn du dich selbstständig machst, hast du natürlich noch keinen Bescheid. Deswegen fragt dich deine Kasse zu Beginn nach deinem geschätzten bzw. erwarteten Gewinn. Eine solche Einkommensabfrage kommt immer mal wieder auf dich zu. Du bist verpflichtet, diese immer zu beantworten.
Sobald der Einkommensteuerbescheid für ein Jahr vorliegt, setzt die Krankenkasse den Beitrag rückwirkend endgültig fest. Dazu berechnet sie ihn wie oben gezeigt. Daraus ergeben sich drei Möglichkeiten:
- Du hast den Gewinn richtig geschätzt und korrekt vorausgezahlt. Dann ändert sich für dich nichts.
- Du hast den Gewinn zu niedrig geschätzt. Du hast zu wenig vorausgezahlt und musst etwas nachzahlen.
- Du hast den Gewinn zu hoch geschätzt. Du hast zu viel gezahlt und bekommst eine Erstattung.
Das beste Ergebnis wäre natürlich das erste. Doch das ist fast unmöglich. Meistens wirst du etwas nachzahlen müssen oder eine Erstattung bekommen. Außerdem wird meistens dein Beitrag geändert.
Die große Gefahr
Gerade am Anfang kann daraus ein ernstes Problem erwachsen. Nämlich dann, wenn du deinen Gewinn recht niedrig einschätzt, um einen geringen Beitrag zahlen zu müssen, und du die erste Einkommensteuererklärung sehr spät abgibst. An einem Beispiel wird das deutlich:
Du gründest dein Unternehmen Anfang 2020 und schätzt deinen Gewinn am Anfang auf 2.000€ monatlich. Die Krankenkasse setzt deinen Beitrag auf 376€ fest (15,5% Krankenkasse + 3,3% Pflegeversicherung). Deine Einkommensteuererklärung reicht dein Steuerberater Ende 2021 ein. Du hast 2020 nicht 2.000€ Gewinn, sondern 3.500€ Gewinn pro Monat erzielt. Der Bescheid vom Finanzamt ergeht Anfang 2022. Diesen reichst du bei der Kasse ein. Nach 3 Wochen bekommst du die endgültige Festsetzung deines Beitrags für 2020. Statt 376€ hättest du monatlich 658€ Beitrag zahlen müssen. Du musst also auf einen Schlag 3.384€ nachzahlen. Außerdem setzt die Kasse deinen neuen Beitrag auf 658€ fest. Hinzu kommt noch die Nachzahlung für die Einkommensteuer ans Finanzamt.
Wenn du dich über den ungeplant guten Gewinn gefreut und das meiste ausgegeben hast, bekommst du jetzt ein ernstes Problem. Für viele ist das tatsächlich am Anfang ein existenzielles Risiko.
Die Lösung
Die erste Lösung wäre, deine Vorauszahlung einfach zu erhöhen. Also den Gewinn von Beginn an optimistischer zu schätzen. Allerdings fehlt dir dann vielleicht gerade am Anfang Liquidität. Zumal wenn es doch nicht so super laufen sollte.
Die zweite Möglichkeit wäre, die Vorauszahlung zwischendurch bereits anpassen zu lassen. Dazu genügt es, wenn du die Krankenkasse anschreibst und um Erhöhung des Beitrags bittest. Meist möchte die Krankenkasse noch einen Nachweis wie eine betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) des*der Steuerberater*in.
Die dritte Option ist es, einfach ausreichend Geld zur Seite zu legen und eben nicht auszugeben. Besprich dich dazu mit deinem*deiner Steuerberater*in, wie hoch dein Gewinn tatsächlich ist. Schätze den tatsächlichen Beitrag und damit deine Nachzahlung ab. Lege diesen Betrag auf dein Tagesgeldkonto.
Private Krankenversicherung bei Existenzgründung
Als Selbstständige*r hast du jederzeit die Möglichkeit, in die private Krankenversicherung bei Existenzgründung zu wechseln. Hier hast du natürlich noch viel mehr Wahlmöglichkeiten. Der Beitrag richtet sich nach Tarif, Leistung, Beitragsentlastung im Alter, Selbstbehalt und deinem Gesundheitsstatus. Von irgendwelchen Billig-Tarifen solltest du lieber die Finger lassen. Die rächen sich früher oder später. Eine private Krankenversicherung ist vor allem sinnvoll, wenn du auf gute Leistungen wert legst. Dann kannst du aber auch von recht hohen Beiträgen ausgehen. Zumal dann, wenn du eine Familie planst. In den meisten Fällen musst du deinen Nachwuchs gegen einen Mehrbeitrag separat versichern. In der gesetzlichen Krankenversicherung sind Kinder beitragsfrei mitversichert.
Private oder gesetzliche Krankenversicherung bei Existenzgründung?
Für die Frage gibt es keine pauschale Antwort. Sie hängt von vielen Faktoren ab. Entscheidend ist aber, dass du dich (fast) immer privat versichern kannst, solange dein Gesundheitsstatus mitspielt. Dafür reichst du „einfach“ einen Antrag zur privaten Krankenversicherung deiner Wahl ein und kündigst deine gesetzliche Krankenkasse. Hier musst du lediglich noch die Fristen beachten.
Bist du aber einmal privat versichert, kommst du nur schwer wieder zurück. Du solltest diesen Schritt also sehr gut überlegen und erst nach reichlicher und sorgfältiger Abwägung treffen. Dazu solltest du dich unbedingt beraten lassen.
Unsere Empfehlung
Bleibe zunächst gesetzlich krankenversichert und versicherer die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung bei Existenzgründung. Wenn du auf mehr Leistungen wert legst, schließe lieber eine private Krankenzusatzversicherung ab. So bleibst du flexibel, falls es doch mal nicht so gut laufen sollte. Außerdem gibt es sog. Optionstarife. Mit den „frierst“ du deinen Gesundheitsstatus ein. Wenn du dich in 2 oder 3 Jahren doch noch für eine private Krankenvollversicherung entscheiden solltest, entfällt die Gesundheitsprüfung dann.
Achte auch am Anfang darauf, dass du das Krankengeld einschließt. Das kostet 0,9% zusätzlichen Beitrag. Du musst keine Gesundheitsfragen beantworten. Wenn du länger als 6 Wochen krank bist, bekommst du 70% deines Gewinns der letzten 12 Monate erstattet. Sozialversicherungsbeiträge fallen keine an (es sei denn, du bist arbeitslosen- oder rentenversichert). Du kannst stattdessen aber auch ein privates Krankentagegeld abschließen. Dort bestimmst du den Beginn und die Höhe der Leistung selbst. Der Beitrag richtet sich wieder nach deinen gewählten Leistungen: je früher und je höher das Tagegeld, desto teurer. Du musst Gesundheitsfragen beantworten.
Für Soloselbstständige oder Selbstständige mit einer kleinen Firma ist eine private Krankenversicherung, zumal wenn sie schlecht ausgestaltet wurde, oft nur schwer finanzierbar. Das Problem sind meist recht geringe Einkünfte im Alter. Der Beitrag bleibt jedoch oder steigt sogar. Bist du gesetzlich versichert, wäre dein Beitrag entsprechend auch gering.
Geheimtipp
Auch als gesetzlich Versicherte*r kannst du Privatpatient sein. Das Zauberwort heißt Privattarif. Dabei handelt es sich um das sog. Kostenerstattungsprinzip. Du bezahlst die Rechnung beim Arzt oder der Apothekerin und reichst die Rechnung bei der Kasse ein. Allerdings erstattet die Kasse nur das, was bzw. so viel, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist. Du bekommst also keine besseren Leistungen, sondern hast nur den Status eines Privatpatienten beim Arzt bzw. bei der Ärztin.
Gern unterstützen wir dich bei der Wahl und allen anderen Themen bei deiner Gründung. Vereinbare dazu einfach einen kostenfreien Kennenlern-Termin mit uns!